Ich fahre Lada - und du so?

GROSS-GERAU. Die Beruflichen Schulen (BSGG) bereiten Schüler vieler Sparten und Qualifikationen auf die Arbeitswelt vor. Dazu gehören unabdingbar auch Lernprozesse zur Persönlichkeitsstärkung und Selbstpräsentation. Diese zu entwickeln und zu stärken sowie kreative Kompetenzen einzubringen, gibt es die Schultheater-Arbeitsgemeinschaft (AG).

Am Wochenende war ihre aktuelle Inszenierung „Ich fahr Lada – Und du so?“ in der Aula zu sehen. Insgesamt 250 Eltern, Mitschüler und Freunde waren zu den beiden Aufführungen gekommen. Lebenssituationen und Problematiken junger Menschen werden in dem Stück differenziert betrachtet. Schüler zwischen 17 Jahren und Anfang 20 haben es mit den anleitenden Pädagogen Christine Bernd und Hartmut Damm auf Basis der Literaturvorlage des Jugendromans „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf entwickelt.

Das Buch erzählt – durchsetzt von Jugendjargon – vom Unterwegssein zweier Außenseiter: Es ist ein Roadmovie der Lebenserfahrung und Selbstfindung. Als Theatervorlage gibt die Story jede Menge her. Regisseure und Schüler nutzten nun das Potenzial, um eigene Akzente zu setzen.

Am Ende gab’s dafür Riesenapplaus und Bravos sowie Lob von Schulleiter Martin Gonnermann: „Auch dieses Jahr zeigt ihr uns, was es heißt, auf der Bühne des Lebens mitzuspielen, stellt euch Themen, die uns alle betreffen.“ Die Theater-AG sei ein kultureller Gewinn für die Schule, so Gonnermann. „Tschick“, im Buch ein Junge aus Rumänien, der neu in eine Klasse kommt, wird bei der Aufführung der BSG von einem Mädchen dargestellt: Emine Barcin füllt den Part unter Schirmmütze und mit Armeejacke erstklassig aus. Sie muss erfahren, wie niederschmetternd sich Ausgrenzung anfühlt, schützt ihr empfindsames Herz durch eine große Klappe.

Von allen abgelehnt, schließt sie sich der zweiten Außenseiterin der Klasse an: Maike. Das motzig-trotzige Mädchen aus reichem Haus hat eine alkoholabhängige Mutter und einen Vater, der durch Abwesenheit glänzt. Das Mädchen – dargestellt von Lena Kabey – findet nach dem Überwinden sozialer Schranken und Vorurteilen in der eigensinnigen „Tschick“ eine Herzensfreundin.

Die Schüler – es spielen sechs Mädchen und zwei Jungs – bringen die Geschichte in eindringlichen Szenen auf die Bühne, brauchen nur wenige Utensilien, um jeweils Rollenwechsel zu vollziehen oder der Bühne mittels Kästen, die zu Schulbänken oder zum rollenden „Lada“ werden, Kulisse zu geben. Apropos Lada: Das klapprige Auto klaut Tschick und stiftet Maike zur Spritztour in die Walachei an.

Das äußere Abenteuer korrespondiert mit innerer Entwicklung. Über Streit, Gefahr und Angst vollzieht sich die Annäherung der beiden jungen Menschen, die einander ihre Sorgen offenbaren.

Am Ende gibt es einen Knall: Ein Autounfall ruft Eltern, Polizei und Jugendgericht auf den Plan, alarmiert eine egozentrische Erwachsenwelt, die blind war für die Not der Jugend.

Einfühlsam und engagiert schlüpfen die Darsteller in ihre Rollen – Joschua Beck etwa mimt einen der provozierenden Schüler sowie auch den Vater von Maike, einen Geschäftsmann, dem das Seelenleben seiner Tochter keinen Pfifferling wert scheint. Pascal Heckmann stellt den umschwärmten Schüler Tom dar, der am Ende mit seiner Überheblichkeit auf die Nase fällt und lernen muss, dass Hochmut vor dem Fall kommt.

Der Intensität der Darstellung liegt spürbar profunde thematische Auseinandersetzung zugrunde, und die Theater AG bezeugte unter Anleitung ihrer Regisseure beachtliche Bühnenreife.

Groß-Gerauer Echo, 26. Juni 2013, lot

Bilder der Aufführung

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